Konsum-Enten und ihre gefiederten Kollegen

Konsum-Enten und ihre gefiederten Kollegen

 6 Uhr morgens - der Hahn meines Nachbarn reißt mich aus meinen Träumen.

Sein krächzendes Lied! Ich stöhne.

Verschlafen starte ich die Kaffeemaschine und werfe ein Spiegelei in die Pfanne.

Naja, doch gut, dass es Hühner gibt.

Etwas später radle ich zu unserem Bauernladen ums Eck. Ich mag den August. Er riecht nach frischen Heuzeilen auf den stoppeligen Feldern. Ein Duft, der mich an Sommertage meiner Kindheit erinnert. Auf den verwitterten grauen Zaunpfählen sitzen vereinzelte Krähen. Sie halten den Schnabel leicht geöffnet, um sich zu kühlen. Ein paar wenige lassen sich im warmen Wind treiben und gleiten knapp über den geschorenen Feldern.

„frei“ - fällt mir ein. „Denen geht es gut!“, - denke  ich bei mir.

Ich stelle das Rad vorm Bauernladen ab, schnappe mir eine Familienpackung Schafkäse und radle zurück.

Eine der Krähen blickt mir nach.

Bei meinem Nachbarn steht eine Kuh außerhalb des Stalls in einem separaten Bereich und schreit.

Der Anblick und dieser Klang berühren mich. Ohne zu überlegen halte ich an.

„Der Fleischtransporter hat Verspätung. Hoffe, sie stört dich nicht!“, ruft mir die Frau vom Bauern zu.

Der Fleischtransporter - bis zu welchem Zeitpunkt ist ein Tier ein Tier und ab wann spricht man von Fleisch?

Der Blick in die großen runden Augen dieser Kuh schmerzt mich - dann fällt er auf den Schafkäse in meinem Korb… und ich denke an mein Spiegelei von heute morgen.

Was wir, als Menschen so brauchen, das wissen wir. Auch ohne lange nachzudenken: eine angemessene Auswahl vorm Kühlregal, Frische und Qualität sowie ständige Verfügbarkeit.

Naja, wir achten schon auch drauf, dass es regional und saisonal gewachsen ist. Und natürlich liegt uns das Tierwohl am Herzen. Mehr kann man von einem verantwortungsbewussten Konsumierenden wohl nicht verlangen.

Haben wir uns jemals die Frage gestellt, was unsere Nutztiere so brauchen? Welchen Nutzen haben sie denn, wenn wir sie in den Ställen halten.

Ich muss scharf nachdenken. Leider fallen mir nicht viele positive Aspekte ein: ein Dach über den Kopf, wenn es stürmt und schneit, Wärme im Winter, keinen Hunger leiden müssen - ach ja: und nur einen einzigen natürlichen Feind.

Ich stelle das Rad in die Garage und habe irgendwie gar keine Lust mehr auf diesen Schafkäse.

Auf meinem Schreibtisch liegt das Bilderbuch „Ferdo - der riesige Vogel“. Das Silentbook hab ich heuer auf der Kinderbuchmesse in Bologna entdeckt und die slowenische Künstlerin Andreja Peklar hat es mir wenige Tage später per Post als Geschenk nachgeschickt. Eine sehr berührende Geschichte mit Tiefgang, die genau diese  Thematik der Ausbeutung in klaren ästhetischen Bildern erzählt. Diese Ausbeutung lässt sich nun natürlich in alle Himmelsrichtungen unserer schönen ertragreichen Erde/Gesellschaft interpretieren.

Nachdem mich dieses Buch ziemlich gepackt hat, baue ich diesen Sommer ein neues Programm dazu. Kombiniert mit dem philosophischen BilderbuchWie ich die Welt mir träume“, in dem Melanie Laibl und Stella Dreis eine menschenleere Welt skizzieren. Die sanfte, malerische Lyrik nimmt uns an der Hand und lässt uns in ein wildes, vielfältiges Grün tauchen. Unberührt und üppig - frei von Lärm und Hektik. Trotzdem würde dieser Welt etwas fehlen, wenn es uns Menschen nicht gäbe. Ein Hoffnungsschimmer. Wären wir doch alle Bilderbuchmenschen! 

Fasziniert von der Intelligenz und dem ausgeprägten Sozialverhalten der schwarzen Rabenvögel arbeite ich wieder weiter.

Vielleicht bilden Vögel in freier Wildbahn die kleine Gruppe jener, die tatsächlich in völliger Freiheit leben.

(Solange der Mensch nicht auf die gewinnbringende Idee kommt, sie könnten ihm von Nutzen sein!)

Buchempfehlungen für dieses gefiederte Thema:

„Wie ich die Welt mir träume“ Melanie Laibl und Stella Dreis (Nilpferd in Residenz)

„Ferdo, der riesige Vogel“ Andreja Peklar (KUD Sodobnost International)

„Von Raben und Krähen“ Britta Teckentrup (Jacoby&Stuart)

„Die Feder“ Britta Teckentrup (Prestel)

„Wie siehst du denn aus? Kurioses aus der Tierwelt“ Florence Guiraud (Knesebeck)